Artikel im International Petfood Magazin

Steigende Preise, Inflation, Gas und Energielieferungen in Gefahr auf Grund eines sich ausweitenden Krieges an der östlichen Grenze der EU zusammen mit dem schleichenden Ende einer schon drei Jahre anhaltenden Pandemiesituation. In Deutschland werden 60% alles produzierten Getreides für die Nutztierhaltung verwendet und die real gewordene Gefahr, dass Lieferketten aus Osteuropa für die nahe Zukunft nicht mehr sicher sind, lässt uns erneut gewahr werden, dass wir unser Konsumverhalten ändern müssen. Besonders, wenn wir auf zwei Fakten schauen:

  1. Die unwürdige Industrialisierung der Nutztierhaltung, welche nicht im Einklang ist mit den UN Nachhaltigkeitszielen
  2. Die Nahrung von Nutz- und Heimtieren, deren Inhalte auf unserer eigenen Nahrungskette aufbauen

Wir sind dringenst darauf angewiesen, neue Futterquellen für Nutz- und Heimtiere zu entwickeln, die nicht in der menschlichen Nahrungskette vorkommen. Eine konstant wachsende Weltbevölkerung und die wachsende Gefahr von Lieferengpässen sind dramatische Gründe unser Verbraucherverhalten endgültig zu verändern. Es liegt an uns, dass wir unseren Enkeln und Urenkeln eine lebenswerte Welt übergeben und es ist jetzt der Zeitpunkt, die richtigen Schritte zu tun.
Nehmen wir Heimtiernahrung: unsere vertrauensvollen Kameraden auf vier Pfoten sind in den letzten Jahren Teil unserer Familien geworden. Wir sozialisieren mit Ihnen und wir bauen Beziehungen zu ihnen auf, so wie wir es mit unseren eignen Kindern tun und wir ernähren sie auf die gleiche Art und Weise, wie wir uns ernähren. Dennoch, wenn es stimmt, was wir wir oben gesagt haben, müssen wir die Art und Weise der Heimtiernahrung ändern.

Diese Änderung kann in zwei Richtungen erfolgen, auf der einen Seite können wir die Qualität der Nahrung verbessern, indem minderwertige tierische Nebenprodukte, wie Federmehl, Klauenmehl, Fellmehl und künstlich modifizierte Zusatzstoffe in konventionellem, industriellen Tierfutter vermieden werden. Diese Nebenprodukte tragen nicht zur Wertschöpfung einer Kreislaufwirtschaft bei, ihr einziges Ziel ist die Erhöhung wirtschaftlicher Profitabilität. Was aus wirtschaftlicher Sicht vollkommen verständlich ist aber die Wiederverarbeitung verschiedener tierischer Proteinquellen in minderwertigen Tiermehlen hat nachweislich, wie wissenschaftliche Studien beweisen, zu einem rasanten Anstieg von Allergien, Nahrungsunverträglichkeit und Darmerkrankungen bei Hunden und Katzen in den letzten 30 Jahren geführt.

Auf der anderen Seite, müssen wir traditionelle, tierische Eiweissquellen in Tiernahrung reduzieren. Wir müssen alternative Proteinquellen finden, die eine höhere Nachhaltigkeit erfüllen und dennoch nahrhafte, hoch-qualitative Monoproteine darstellen. Forschungsergebnisse haben ausreichend bewiesen, dass die Aufzucht von Insekten weniger Treibhausgase frei setzt, weniger Futtermittel bedarf und dass der Wasser- und Landbedarf bei der Aufzucht nur einem Bruchteil der klassischen, tierischen Proteinquellen entspricht. Bei der Auswahl von Insekten können wir sogar auf Insekten zurückgreifen, die die Kreislaufwirtschaft schließen: Seidenraupen.

Seidenraupen sind ein Nebenprodukt der Seidenproduktion in Indien, Südostasien oder China. Wenn sie Verwendung finden, dann maximal als Dünger in der Landwirtschaft, zum Großteil werden sie entsorgt. Jedes Jahr fallen in Indien allein 250,000 Tonnen Seidenraupenpuppen an, die 40,000 Tonnen reinstes Eiweiß enthalten, kostenloses, hochwertiges, tierisches Eiweiß, welches wir uns nicht erlauben können wegzuschmeißen. Besonders weil herausgefunden wurde, dass Seidenraupen hypoallergene Eigenschaften haben und wie wissenschaftliche Studien in den Niederlanden gezeigt haben, Seidenraupen einen positiven Einfluss auf entzündete Gelenke haben und sogar die Gehirntätigkeit von älteren Hunden positiv beeinflussen können.

Wenn ein günstiges und verfügbares Insektenprotein zur Verfügung steht, warum ersetzen wir es dann nicht einfach mit teureren, tierischen Eiweißen in unserer Heimtiernahrung? Ganz einfach, wenn Heimtiernahrung verkauft wird, wird diese immer an zwei Individuen verkauft: den/ die Besitzer/ in und das Heimtier selbst. Viele Hundebesitzer in Europa reagieren immer noch mit dem „Igitt-Faktor“ wenn die Rede von Insekten als Tiernahrung ihrer geliebten Haustiere ist. Insekten werden immer noch als kleine, krabbelnde, dreckige Krankheitsüberträger wahrgenommen und keinem halbwegs intelligenten Europäer würde es in den Sinn kommen, Insekten als Heimtiernahrung zu verfüttern. Dieser kulturell geprägte europäische Sichtweise ist berechtigt, schließlich waren Insekten in Europa nie Teil unserer menschlichen Nahrungskette und sind in unserem kulturellen Erbe auch nie als gesund, positiv, nahrhaft und nachhaltig wahrgenommen worden. Dennoch eine wachsenden Weltbevölkerung, dem ungesunde Mißbrauch von Eiweißmehlen in konventioneller Tiernahrung und dem Auftrag unseren Planeten zu erhalten, wie es in den UN Nachhaltigkeitszielen beschrieben ist, sind genügend Gründe unser Verhalten, die Ernährung unserer Heimtiere und althergebrachte kulturelle Ansichten zu überwinden.

Ähnliche Veränderungsprozesse haben bereits stattgefunden, wenn wir auf die menschliche Ernährung und das menschliche Essverhalten schauen. In Europa war rohen Fisch zu essen, bis auf regionale Außnahmen der Spanisch-katalanischen Küche (Cheviche) oder der Italienischen und Französischen Küche (roher Thunfischsalat) nicht bekannt und akzeptiert. Die Einführung von Sushi, Maki und Negiri in Europa in den 60er und 70er Jahren durch japanische Gastarbeiter hat das Fundament gelegt für den Siegeszug, welcher darin endete das Sushi heutzutage als weit verbreitetes und weit akzeptiertes Nahrungsmittel als Take-Away und Fertiggericht in Europa akzeptiert ist und es keiner mehr als ein unappetitliches, fremdes Essen wahrnimmt.

Wenn wir uns die Veränderungen ansehen, denen wir im Moment ausgesetzt sind und den Nachhaltigkeitsauftrag wahrnehmen, den wir gegenüber unseren zukünftigen Generationen haben, werden wir uns wieder gewahr, dass nicht das Stärkste Individuum überleben wird, sondern das Individuum, welches sich am Besten den bestehenden Veränderungen anpasst. Diese Veränderungen passieren gerade jetzt.

Biologisches Insektentiernahrung ist eine mögliche Antwort auf die Veränderungen, denen wir gegenüberstehen. Das Aufziehen von Nutztieren unter biologsich geprüften und kontrollierten Bedingungen gibt unseren Nutztieren ihre ursprüngliche Wertigkeit wieder, die sie verloren haben in den letzten Jahrzehnten, in denen sie zur industrialisierten Ware verkommen sind. Fleisch ist keine alltägliche Ware, über die wir jeden Tag in drei Mahlzeiten verfügen können. Nicht mit einer ständig wachsenden Weltbevölkerung, nicht mit der Notwendigkeit unseren Planeten für zukünftige Generationen zu erhalten und nicht mit Lieferketten, die in Gefahr sind, wenn eine weitere Pandemie ausbricht oder an einem östlichen Ende Europas ein Krieg losgeht. Biologische Heimtiernahrung schafft eine Kreislaufwirtschaft für die biologisch lizensierte Nutztierhaltung, deren Idee es ist, Abfall im Wirtschaftskreislauf auf ein Minimum zu reduzieren und einen größeren Mehrwert für den Wirtschaftskreislauf zu schaffen. Viele Teile der Nutztiere finden schon lange nicht mehr ihren Weg in die menschliche Nahrungskette, biologische Tiernahrung schafft hier einen Mehrwert, indem Haustieren ein nahrhaftes, gesundes Monoprotein angeboten wird und billige Eiweißmehle vermieden werden, welche nur zur Verschlechterung des Gesundheitszustands der Haustiere führen.

Wie wir wissen, hat die Europäische Union erst kürzlich ihre Gesetze und Regeln zur Einfuhr von Insekten als tierische und menschliche Nahrung weiter entwickelt. Regionale Insektenindustrivereinigungen unterstützen Produzenten weltweit, diese neuen Regulatorien anzunehmen und anzuwenden. In Europa IPIFF – die internationale Plattform für Insekten als Nahrungs- und Futtermittel, hat spezielle Produktions- und Vermarktungsrichtlinien für den EU-Markt entwickelt, einschließlich für Heimtierfutteranwendungen; in Asien – AFFIA – Die asiatische Insektenvereinigung für Insekten als Nahrungs- und Futtermittel hat eine Kooperationsplattform für Produzenten entwickelt, um die EU-Exportanforderungen für regional bezogene Arten wie Seidenraupe, Grille, Mehlwurm und schwarze Soldatenfliege besser zu verstehen und einzuhalten.

Biologische Zertifizierer und Kontrollunternehmen reagierten in Europa auf diese Entwicklungen und im Moment bestehen zwei Regelwerke, wie Insekten biologisch kontrolliert aufzuziehen sind, von Bio Suisse und von Naturland. Naturland basiert auf den verbandseigenen Grundprinzipien des zertifizierten ökologischen Landbaus: Die Verpflichtung, mit den elementaren Grundlagen unseres Lebens umsichtig und verantwortungsvoll umzugehen, nachhaltige Bewirtschaftung, Klima- und Boden-, Luft- und Gewässerschutz sowie Verbraucherschutz. Bei der Betrachtung der Futtermittel wird auf die Kreislaufwirtschaft geachtet, wenn Futtermittel und Substrate aus ökologischer Landwirtschaft stammen (vorzugsweise vom Hof selbst oder vom Erzeuger und/oder Prozessoren in derselben Region). Tierische Produkte sowie deren Reststoffe und Nebenprodukte sind als Futtermittel nicht zulässig. Wir interpretieren es als starkes Zeichen des Übergangs zwischen ökologischer und konventioneller landwirtschaftlicher Produktion, dass Naturland erlaubt, dass dort, wo keine ökologischen Nebenprodukte und Reststoffe vorhanden sind, Nebenprodukte und Reststoffe aus der Verarbeitung konventioneller Lebens- und Futtermittel verwendet werden dürfen jedoch nur nach Antragstellung bei Naturland. Die zuvor eingereichte Analyse muss zeigen, dass das Futter unbedenklich ist und keine Pestizide, Mykotoxine, Schwermetalle oder genetisch manipulierte Teile usw. enthält.

Es ist noch ein weiter Weg, bis wir Bio-Insekten in Bio-Heimtiernahrung aus europäischer Aufzucht anbieten können, aber das Wissen, dass der Import von Insekten aus asiatischen Ländern gesetzlich geregelt ist, hat Hoffnungen geweckt, sicherzustellen, dass Insektenrohstoffe ihren Weg aus Ländern nach Europa finden wo Insekten auf natürliche und vollständig nachhaltige Weise gezüchtet werden.

Terra Pura Tiernahrung hat gerade die Rezepturentwicklung eines Bio-Nassfutters für Hunde auf Basis von Seidenraupen abgeschlossen, schließt derzeit die Testfütterung ab und präsentiert das Produkt im 3. Quartal 2022 auf dem deutschen Markt mit Seidenraupen aus Indien und Thailand. Die Kunden reagierten sehr positiv auf die anfängliche Marktforschung des Unternehmens und eine gemeinsame Resonanz war, dass die Kunden darin eine Futterlösung nicht nur für allergische und hypersensible Hunde sehen und die regionale Produktion ohne Zusatzstoffe, Farbstoffe und Konservierungsstoffe begrüßen. Die Entwicklung eines Insektensnacks auf Basis der Schwarzen Soldatenfliege soll ebenfalls im 3. Quartal 2022 abgeschlossen werden.

Das Unternehmen steht vor Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Produktion eines Insekten-Trockenfutters auf Basis von Bio-Rohstoffen. Auf dem Markt gibt es einige Insekten-Trockenfutterhersteller, die jedoch nicht die Bedürfnisse eines Bio-KMU-Tierfutterunternehmens erfüllen. Keine der angebotenen Rezepturen basiert auf Bio-Rohstoffen und der Ausschluss von Zusatz-, Farb- und Konservierungsstoffen ist derzeit nicht möglich. Kompromisse werden in Kauf genommen, da es am Markt kein Angebot an biologisch erzeugten und gezüchteten Insekten gibt und Trockenfutter daher einem Trockenfutter auf Basis von Pferde- oder Wildschweinfleisch ähnlich wäre, wo beides auch nicht in Bio-Qualität erhältlich ist. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, einen Einfluss auf die Art der Insekten zu haben, die in Trockenfutter verwendet werden. Die meisten aktuellen Angebote sind auf Schwarze Soldatenfliege spezialisiert und es hat sich gezeigt, dass die Kunden eine negativ kulturell geprägte europäische Sicht auf diese Insektenart haben. Nicht zuletzt ist die Mindestbestellmenge bei Trockenfutter für mittelständische Betriebe oft überfordert und Mindestbestellmengen von 10 Tonnen einfach zu hoch. Um die Umsetzung und Entwicklung von Insekten-Trockenfutter mit Bio-Rohstoffen zu unterstützen, wären niedrigere Mindestbestellmengen und Einfluss auf die Rezeptur und Insektenauswahl von Vorteil. Eine Entwicklung neuer Lebens- und Futtermittel wird immer von KMU-Unternehmen vorangetrieben, und die verarbeitende Industrie sollte einen Weg finden, dem Pioniergeist gerecht zu werden und Lösungen zu finden, die beiden Seiten helfen.

Den originalen Artikelauf Englisch finden Sie hier: Klick